Klinische Studien


Blauzapfen-Monochromasie (BCM) ist für die Gene Augmentaton Therapy (Gentherapie durch Augmentation) geeignet.

Blauzapfen-Monochromasie kann auf eine lange Geschichte klinischer, elektrophysiologischer und psychophysischer Studien zurückblicken, in denen die molekulargenetischen Ursachen aufgeklärt wurden, die zum Mangel an Opsin in den Zapfen führen [1,2]. Nach Aufklärung der molekulargenetischen Aspekte bei Blauzapfen-Monochromasie und erfolgreichen Studien zur gentherapeutischen Behandlung der Netzhaut bei anderen genetischen Krankheiten fragte man sich natürlich, ob auch Blauzapfen-Monochromasie für die Gene Augmentaton Therapy in Frage kommen könnte. Dies musste wissenschaftlich überprüft und konnte nicht einfach angenommen werden. Die genaue Frage lautete, ob die Struktur der L-/M-Zapfen (rot / grün) bei Patienten mit Blauzapfen-Monochromasie ausreicht, um einer Gene Augmentaton Therapy beim Menschen Aussicht auf Erfolg zu geben. Eine Gruppe von Patienten mit Blauzapfen-Monochromasie, bei denen Deletionsmutationen in den Opsingenen der L-/M-Zapfen bzw. den darunter liegenden regulatorischen Mechanismen vorliegen, wurde mittels bildgebender Verfahren eingehend untersucht, wobei nachgewiesen wurde, dass eine geringe Anzahl von Restzellen bei den L-/M-Zapfen vorhanden ist, die zwar Anomalien aufweisen, aber Außensegmente besitzen und im zentralen Netzhautbereich erfasst werden können. [3]. Daraus wurde die Annahme abgeleitet, dass die Gentherapie bei Blauzapfen-Monochromasie einen potenziellen Nutzen haben könnte, wenngleich die subfoveal vorgenommene Injektion (ein für die „äußere Netzhaut“ übliches Verfahren zur Geninjektion) aufgrund der fragilen zentralen Netzhautstruktur bei Blauzapfen-Monochromasie weniger geeignet als beispielsweise die intravitreale Injektion erscheint. Eine Einschränkung des intravitrealen Ansatzes bei Pathologien der Netzhautzapfen ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass vermutlich ausschließlich der foveale Bereich der Netzhaut für die Behandlung in Frage kommt.
So konnte Schritt für Schritt inzwischen immerhin gezeigt werden, dass Blauzapfen-Monochromasie für die Gentherapie geeignet ist.

Können wir konventionelle klinische Tests verwenden, um die Wirkung einer Therapie bei Blauzapfen-Monochromasie zu kontrollieren?

Die Sicherheitsparameter, d. h. die Primärergebnisse der Anfangsphase einer klinischen Studie müssten zur Überwachung der systemischen und okularen Toxizität eingesetzt werden und routinemäßige Augenuntersuchungen sowie das unter dem Namen optische Kohärenztomographie (OCT) bekannte bildgebende Verfahren einschließen.Jacobson cross-sectional imaging 2016 Dieses Verfahren könnte auch verwendet werden, um für die Auswahl der Kandidaten nützliche Bilder zu erhalten, bei denen die Kernschicht der fovealen Fotorezeptoren und die Struktur des Außensegments der Zapfen erfassbar sind [3]. Die Sekundärergebnisse bezüglich der Wirksamkeit der Therapie schließen natürlich auch Messungen einer möglichen Erhöhung der Sehschärfe ein.

Abgesehen von der Messung der Sehschärfe stellt sich für uns die Frage, ob die derzeit in einem Großteil der Kliniken hierzu verfügbaren Instrumente und Techniken ausreichend klare Ergebnisse liefern, die zur Messung der Wirksamkeit der in einer der Anfangsphasen einer klinischen Studie über Blauzapfen-Monochromasie erzielten Ergebnisse verwendet werden könnten. Eine Gruppe von Patienten wurde kürzlich ausgewählt, um zu untersuchen, wie das Behandlungsergebnis (zusätzlich zur Sehschärfe) gemessen werden kann, um eine auf die L-/M-Zapfen (rot / grün) zurückzuführende Verbesserung des Sehvermögens zu erfassen [4]. Ein Standardverfahren zur Isolierung der Zapfensehfunktion ist die Verwendung einer Desensibilisierung der für das Nachtsehen verantwortlichen Stäbchen ausreichenden, aber die Zapfen nur minimal beeinflussenden Hintergrundbeleuchtung. Ein nicht selbstverständliches Ergebnis wurde erreicht, wenn Blauzapfen-Monochromasie-Patienten nach Aufforderung in der Lage waren, L- /M-Prüfreize bei dieser Standardhintergrundbeleuchtung zu identifizieren. thumbnail_Jacobson blue-cone perimetry 2016 Die Objekte wurden vom Stäbchensystem gesehen; Prüfreize mit kürzerer Wellenlänge wurden – je nach Netzhautposition und Patient – vom S-Zapfensystem (blau) und vom Stäbchensystem erfasst. Die Standardhintergrundbeleuchtung entspricht der Leuchtdichte eines weißen Blattes Papier bei normaler Innenbeleuchtung und überraschenderweise konnte festgestellt werden, dass bei Blauzapfen-Monochromasie-Patienten das Nachtsehvermögen unter Tageslichtbedingungen erhalten bleibt. Die normale oder fast normale Erweiterung des kinetischen Sehfeldes (dargestellt auf Standardhintergrundbeleuchtung) lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass bei Blauzapfen-Monochromasie-Patienten (zusätzlich zu den S-Zapfen) noch funktionstüchtige Stäbchen vorhanden sind. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass in einer klinischen Studie über Blauzapfen-Monochromasie die kinetische Perimetrie (mit großflächigen Prüfreizen und Standardhintergrund) sich nicht als Nachweis für die Wirkung auf die Funktion der L-/M-Zapfen eignet. Die mit computergestützter, statischer Perimetrie erzielten Ergebnisse mit weißen Prüfreizen und Prüfreizen mit 600 nm (orange) bei einer Hintergrundbeleuchtung waren bei allen Blauzapfen-Monochromasie-Patienten signifikant anormal, aber es wurde nachgewiesen, dass die statische Perimetrie unter Lichtadaptierungsbedingungen bei weißen Prüfreizen vermutlich durch die Kombination von Stäbchen und S-Zapfen geführt war, während das Sehen bei Prüfreizen mit 600 nm durch die Stäbchen gewährleistet war. Diese Ergebnisse zeigen erneut, dass die üblichen klinischen Tests irreführend sein und die Ergebnisse nicht nur beim Grundsehvermögen, sondern auch bei den klinischen Untersuchungen der Blauzapfen-Monochromasie-Patienten beeinträchtigen können.

Wenn sich das Auge der Blauzapfen-Monochromasie-Patienten an die Dunkelheit gewöhnt hat, ist eine hohe Einbuße an Sensibilität nur gegenüber langwelligem, nicht jedoch gegenüber kurzwelligem Licht im zentralen Netzhautbereich zu beobachten. Diese Art von Schwellentest an dunkelheitsadaptierten Probanden unter Verwendung von zwei Farben und Untersuchung des zentralen Netzhautbereichs kann folglich als Indikator für ein Ergebnis betrachtet werden (vorausgesetzt, die fovealen L-/M-Zapfen werden mit intravitrealer Injektion behandelt), bei dem eine verbesserte Funktion der L-/M-Zapfen zu einer Verbesserung der Schwellen führen müsste, bei denen ein Prüfreiz längerer Wellenlänge beobachtet werden kann, während die Schwellen mittlerer Wellenlänge unverändert sein müssten. Ebenso wurde ein neues chromatisches Mikroperimetrieverfahren zur Messung des Sehfunktion in der einem Test mit Netzhaut-Tracking in Echtzeit unterzogenen anatomischen Fovea eingesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass bei farbigem Hintergrund und Prüfreizen in unterschiedlichen Farben der Funktionsverlust der L-/M-Zapfen isoliert sein könnte. Dies war der Auftakt zur Entwicklung eines Verfahrens zur Wirksamkeitsmessung, die im Folgenden erläutert wird.

Klinischen Untersuchungen zufolge können Anomalien der Augenbewegung (Nystagmus) bei Blauzapfen-Monochromasie-Patienten von leicht bis stark variieren; bei manchen erwachsenen Patienten werden sie als nicht erkennbar beschrieben. In seltenen Fällen ergab sich aus der Analyse der Aufzeichnungen der Augenbewegungen ein Pendelnystagmus unterschiedlicher Amplitude, wobei der Fixationsort, wenn er quantifiziert wurde, im fovealen oder para-fovealen Bereich lag. Da die Augenbewegung unter bestimmten Bedingungen stark durch das visuelle Feedback beeinflusst werden, wurden die Aufzeichnungen bei Patienten mit Blauzapfen-Monochromasie unter strenger Kontrolle der visuellen Umgebung vorgenommen [4]. Nach Dunkelheitsadaptierung der Augen wurden die Patienten aufgefordert, ein einzelnes sichtbares, stationäres Zielobjekt in der Dunkelheit zu fixieren. Der Fixationsort und dessen Stabilität wurden mittels Infrarotsichtprüfung der Netzhaut aufgezeichnet. Augenbewegungsstörungen wurden sowohl mit Pendel- als auch Ruckkomponenten in horizontaler, diagonaler und vertikaler Richtung beobachtet; die Amplitude der Augenbewegungen könnte sich über einen weiten Bereich erstrecken und der durchschnittliche Fixationsort könnte auf die Fovea oder auf die Parafovea konzentriert sein. Quantifizierbare Aufzeichnungen wie die hier beschriebenen, sind sehr wichtig, um Behandlungsverfahren zu entwickeln, die auf den fovealen Bereich gerichtet sind, da eine Erhöhung der Empfindlichkeit der L-/M-Zapfen zu Änderungen des Fixationsorts und dessen Stabilität führen könnte.

Weitere Studien sind erforderlich, um die Variabilität der genannten Verfahren zu bestimmen, die als Ergebnisse in zukünftigen Studien zur Behandlung von Blauzapfen-Monochromasie verwendet werden könnten.

Ein modernes System zur Bestimmung der räumlichen Auflösung der Zapfen durch Darstellung des Augenhintergrunds in einer klinischen Studie über Blauzapfen-Monochromasie: Machbarkeitsstudien

In einer klinischen Studie über Blauzapfen-Monochromasie wäre es vorteilhaft, die räumliche Auflösung zu messen und nicht nur die Sehschärfe zu untersuchen. Zur Prüfung des Auflösungsvermögens des L-/M-Zapfensystems werden üblicherweise kontrastreiche Standardbuchstaben bei freier Sicht verwendet. Bei Blauzapfen-Monochromasie können die Stäbchen-Fotorezeptoren (und bisweilen auch die S-Zapfen) bei niedriger Sehstärke auch unter Tageslichtbedingungen vorherrschen. Eines der Behandlungsziele bei Blauzapfen-Monochromasie ist die Verbesserung des auf den L-/M-Zapfen basierten Sehvermögens. Wir müssen auch darauf vorbereitet sein, dass es bei der Therapie in der Anfangsphase zu inkrementellen Verbesserungen kommen könnte, wobei die Erfassung der Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Sehvermögen dieser Patienten spezifische Messverfahren erfordert.

thumbnail_Jacobson BCM outcome 2016

In jüngster Zeit wurde ein bereits vorhandenes Instrument abgeändert, um den spezifischen Anforderungen bei Blauzapfen-Monochromasie gerecht zu werden. Das Intervall der Leuchtdichte- und Farbwerte wurde korrigiert, um das Instrument für die Messung der Behandlungsergebnisse brauchbar zu machen [5].
Bei diesem Instrument handelt es sich um ein Fundusperimeter (auch Mikroperimeter genannt), bei dem der Augenhintergrund während der Messungen der räumlichen Auflösung dargestellt wird, um das Auftreten des Prüfreizes auf dem gewünschten Netzhautbereich zu gewährleisten. In Vorstudien an einem Patienten mit Blauzapfen-Monochromasie wurden rote Gitter auf leuchtend blauem Hintergrund verwendet, die auch bei höchstem Kontrast nicht erkennbar waren. Dies war auf das erwartete Krankheitsbild bei Blauzapfen-Monochromasie abgestimmt. Mit blauen Gittern auf leuchtend gelbem Hintergrund konnten von den S-Zapfen ausgehende Wahrnehmungen abgefangen und auf diese Weise erfasst werden.

Die Schlussfolgerungen, die sich bislang hieraus ziehen lassen, sind dahingehend, dass das modifizierte Instrument für die Fundus-Mikroperimetrie ein vielversprechender erster Schritt zur Darstellung unterschiedlicher Prüfreize mit einem breiten Spektrum an Leuchtdichte- und Farbwerten ist und eine präzise räumlich-zeitliche Kontrolle der Netzhautfunktionen bei Patienten mit Blauzapfen-Monochromasie erlaubt [5]. Es sind jedoch weitere Schritte und die Untersuchung eines breiten Spektrums von Blauzapfen-Monochromasie-Patienten notwendig, um die Einschätzung der Variabilität zwischen den einzelnen Untersuchungen und die Entwicklung eines Protokolls für eine klinische Studie zu ermöglichen.

Literaturangaben
1. Nathans J, Davenport CM, Maumenee IH, Lewis RA, Hejtmancik JF, Litt M, Lovrien E, Weleber R, Bachynski B, Zwas F, Klingaman R, Fishman G (1989) Molecular genetics of human blue cone monochromacy. Science 245: 831-8.
2. Nathans J, Maumenee IH, Zrenner E, Sadowski B, Sharpe LT, Lewis RA, Hansen E, Rosenberg T, Schwartz M, Heckenlively JR, Traboulsi E, Klingaman R, Bech-Hansen NT, LaRoche GR, Pagon RA, Murphey WH, Weleber RG (1993) Genetic heterogeneity among blue-cone monochromats. Am J Hum Genet. 53(5):987-1000.
3. Cideciyan AV, Hufnagel RB, Carroll J, Sumaroka A, Luo X, Schwartz SB, Dubra A, Land M, Michaelides M, Gardner JC, Hardcastle AJ, Moore AT, Sisk RA, Ahmed ZM, Kohl S, Wissinger B, Jacobson SG. (2013) Human cone visual pigment deletions spare sufficient photoreceptors to warrant gene therapy. Hum Gene Ther 24: 993-1006.
4. Luo X, Cideciyan AV, Iannaccone A, Roman AJ, Ditta LC, Jennings BJ, Yatsenko SA, Sheplock R, Sumaroka A, Swider M, Schwartz SB, Wissinger B, Kohl S, Jacobson SG. (2015) Blue cone monochromacy: visual function and efficacy outcome measures for clinical trials. PLoS One. 10(4):e0125700.
5. Cideciyan AV, Roman AJ, Jacobson SG, Yan B, Pascolini M, Charng J, Pajaro S, Nirenberg S. (2016) Developing an outcome measure with high luminance for optogenetics treatment of severe retinal degenerations and for gene therapy of cone diseases. Invest Ophthalmol Vis Sci. 57(7):3211-21.